29. Apr. 2020

Die Frage nach dem Warum – oder der Aufstieg der Sinnökonomie

Diverse Megatrends erhalten wegen der durch Covid-19 ausgelösten Krise zusätzlichen Antrieb. Die Frage nach dem Sinn führt bei Konsumentinnen und Konsumenten zu einer Neubestimmung der persönlichen Werte. Unternehmen und Marken sind gut beraten, über den Zweck ihres Schaffens nachzudenken und überzeugende Antworten bereit zu halten.

Diverse Megatrends verändern das Denken und Handeln von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Erhalten solche Veränderungen zusätzlichen Auftrieb durch eine weltweite Krise, ist es für Unternehmen höchste Zeit, sich diesem Wertewandel anzupassen. Eine glaubwürdige, nachvollziehbare Antwort auf die Frage, wofür sich ein Unternehmen einsetzt, wird künftig immer wichtiger. Unternehmen und Marken sind deshalb gut beraten, sich jetzt über ihren Zweck klar zu werden, ihr Businessmodell danach auszurichten und ihn offen zu kommunizieren.

Covid-19 befeuert neue Trends und verhilft bestehenden zu noch mehr Bedeutung. Sie werden, wie in unserem letzten Blogbeitrag ausgeführt, von der Markt- und Konsumforschung schon längere Zeit beobachtet. Eine dieser Tiefenströmungen, welche durch die weltweite Pandemie einen enormen Schub erhält, ist die Neo-Ökologie.

Das Zukunftsinstitut beschreibt damit einen Trend, der unser Wertesystem verschiebt und unser Konsumverhalten verändert. Die Neo-Ökologie umfasst ein weites Spektrum an Subtrends. Sie prägen die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Politik. Märkte verändern sich und treiben uns in Richtung Postwachstum. Dieser Trend zeigt sich allerdings schon seit einiger Zeit. Klimaschutz, als eine massgebliche Komponente der Neo-Ökologie, ist längt kein Nischenthema mehr. Er ist tief in die Politik vorgedrungen und ist Dauergast auf den Traktandenlisten der Verwaltungsräte grosser Unternehmen. Und er betrifft jeden Einzelnen.

Umwelt wird zum Mainstream-Thema, zum neuen Kriterium für gut und schlecht, richtig und falsch.

Lena Papasabbas, Anthropologin, Zukunftsinstitut

Die breite Bevölkerung befürwortet den Klimaschutz, die Akzeptanz und die Verantwortung steigen deutlich. Die Digitalisierung, die einfache Verbreitung von Informationen und die Macht der sozialen Medien befeuern diese Akzeptanz. Mit Friday-for-future entstand die grösste Jugendbewegung der 2000er-Jahre und möglicherweise die grösste überhaupt. Ehemalige Spitzenpolitiker und Unternehmer sowie Stars aus der Musik- und Filmwelt setzen sich vehement für den Klimaschutz ein. Sich für das Klima einzusetzen gilt immer mehr als gesellschaftlicher Auftrag, welchem sich Märkte, Marken und Marketing nicht mehr länger entziehen können.

Post-Individualisierung: Auferstehung des Wir

Konsumenten, die sich mit Lieferketten und Produktionsbedingungen auseinandersetzen, hinterfragen auch die Situation der Arbeitnehmenden in anderen Ländern. Sie fühlen sich zunehmend verantwortlich und global solidarisch. Covid-19 verstärkt diesen Faktor. Die Medien berichten täglich von folgenschweren Ausnahmezuständen, zeigen Einzelschicksale und weisen auf die Ursachen für diese Miseren hin. Eine Welle der Solidarität schwappt auf unsere Gesellschaft über. Reisen ist nicht mehr möglich, doch die Öffentlichkeit fühlt sich den anderen gegenüber näher und verbundener denn je. Das Wir verdrängt das Ich.

Nur gemeinsam können wir die Klimakrise überwinden. Je früher ein Unternehmen dies erkennt, desto besser kann es sich auf diesen Wandel ausrichten und ihn zum eigenen Vorteil nutzen. Denn Nachhaltigkeit wird zum Wettbewerbsfaktor.

Achtsamkeit und Minimalismus: Ein neues Selbstverständnis

Wo Nachhaltigkeit ein Thema wird, beschäftigen sich Verbraucher auch mit ihrem eigenen Konsum. Hinterfragt wird der Medienkonsum, die davon ausgelöste Reizüberflutung und der Trend zu immer mehr materiellen Gütern, die wir doch eigentlich gar nicht benötigen. Achtsamkeit und Minimalismus führen zu bewusstem Verzicht und zur Auseinandersetzung mit der eigenen Person und ihren Werten. Die Frage danach, was man wirklich benötigt, ist dabei zentral. Wie Verhaltensforscher in Zusammenhang der Corona-Pandemie belegen, neigen wir Menschen bei Bedrohungen dazu, unser Tun und Handeln zu hinterfragen. Auch hier erleben wir einen enormen Boost durch die momentanen Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens. Wie auch das Nielsen-Institut aufzeigte, gehen die während der ersten Phase in die Höhe geschnellten Onlinekäufe zurück, je länger die staatlichen Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie anhalten. Produkte sind plötzlich nicht mehr permanent und sofort verfügbar. Die Lieferzeiten von Amazon und Co. haben sich drastisch verlängert. Diese Verknappung führt zur Einsicht, dass dieser Überfluss gar nicht notwendig ist.

Auch Reisen und Flüge sind momentan nicht möglich und werden es voraussichtlich auch noch eine Weile bleiben. Also macht man es sich Zuhause gemütlich.

Zeichen, die diesen Umbruch belegen, sind überall präsent. Bio-Labels und lokal hergestellte Produkte nehmen laufend zu und erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Unsicherheit und Argwohn gegenüber Produkten, welche kreuz und quer über den Erdball transportiert werden, wachsen. In Zeiten einer weltweiten Pandemie noch stärker als je zuvor.

Unternehmen, die in den Zeiten nach dem Wachstumskapitalismus erfolgreich sein wollen, müssen diese neuen Wertvorstellungen der Sinn-Ökonomie selbst leben und vorantreiben.

Lena Papasabbas, Anthropologin, Zukunftsinstitut

Konsumenten suchen nun auf allen Ebenen ihres Lebens nach einem Sinn, einem guten Gefühl. Der Job soll Spass machen, erfüllend sein und einem höheren Zweck dienen, als nur Ende des Monats das Konto zu füllen. Der bewusste Konsum führt auch zu einer gezielten Entscheidung für oder gegen eine Marke. Diese Wahl wird nun allerdings nicht mehr auf Basis der Produkte allein getroffen. Viel schwerer wiegen heute Faktoren wie die Einstellung eines Unternehmens in Sachen Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Engagement für die Öffentlichkeit.

In Zentrum steht das Weshalb

Starke Marken benötigen daher eine ausgeprägte, unverkennbare Identität, in deren Kern der höhere Zweck des Unternehmens steht. Es reicht längst nicht mehr, sich als Marke nur über ein Produkt zu positionieren. Wer einen loyalen, treuen Kundenstamm aufzubauen versucht, muss von Kunden und Käufern als Partner mit gleicher Wellenlänge wahrgenommen werden können.

Durch das aktuelle Überangebot an konkurrenzierenden Produkten, die sich meist nur im Markennamen unterscheiden und eine Differenzierung im besten Fall nur über einen Preisvorteil zu erreichen ist, fällt den geteilten Wertvorstellungen eine besondere Rolle zu. Gerade Schweizer KMUs bietet diese Wertewelt ein Narrativ von tiefgreifender Bedeutung.

Über drei einfache, aber fundamentale Fragen lässt sich der Zweck eines Unternehmens erarbeiten:

  1. Welchem höheren Zweck dient das Unternehmen?
  2. Wie kann es diesen Zweck erfüllen?
  3. Mit welchem konkreten Angebot kann es dem Zweck entsprechen.

Auf Basis dieses «Golden Circles», den Simon Sinek als Kern für jedes modernen Unternehmens sieht, können weitere Handlungsempfehlungen beschlossen werden, die dem nun definierten «Purpose» des Unternehmens entsprechen. Initiativen wie Leaders for Purpose gewinnen immer mehr namhafte Unternehmen und deren CEOs. Weltbekannte Marken erfinden sich rund um einen übergeordneten, der Gesellschaft oder der Umwelt dienenden Zweck neu. Prominent besetzte Panels am World Economic Forum oder am Werbefestival in Cannes belegen, dass es bereits vielen Unternehmen ernst damit ist.

Vertrauen macht widerstandsfähig

Wer seinen Purpose so ausrichten kann, dass er auch in den Tiefenströmungen des Wandels Bestand hat, schafft sich eine solide Basis für die Zukunft. Denn, wer sich nicht über ein Produkt, sondern über einen Zweck definiert, kann sein Angebot synchron mit dem Wertewandel der Konsumenten verändern und bleibt trotzdem authentisch. Und diese Authentizität schafft Vertrauen, die stärkste Währung für das Fortbestehen des Unternehmens. Innere Stärke, Widerstandskraft und Flexibilität helfen, die Herausforderungen einer sich immer schneller wandelnden Welt souverän zu meistern.

Steigern Sie die Resilienz Ihres Unternehmens und Ihrer Marke. Entwickeln Sie einen übergeordneten Zweck, dem sich Ihre Organisation glaubhaft widmen kann. Yellow kennt zuverlässige Methoden und unterstützt Sie gerne dabei. Damit Sie und Ihr Unternehmen erfolgreich bleiben (– denn nur deshalb gibt es uns).